Wissenschaftler haben einen neuen Aggregatzustand für Wasser entdeckt
Eines der grundlegendsten Dinge, die uns im naturwissenschaftlichen Schulunterricht beigebracht werden, ist, dass Wasser in drei verschiedenen Zuständen existieren kann, entweder als festes Eis, als flüssiges Wasser oder als gasförmiger Dampf. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat jedoch kürzlich Anzeichen dafür gefunden, dass flüssiges Wasser tatsächlich in zwei verschiedenen Zuständen vorkommen könnte.
In einer experimentellen Arbeit, die im International Journal of Nanotechnology veröffentlicht wurde, waren die Forscher überrascht, dass eine Reihe von physikalischen Eigenschaften von Wasser ihr Verhalten zwischen 50℃ und 60℃ ändern. Dieser Hinweis auf einen möglichen Wechsel zu einem zweiten flüssigen Zustand könnte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine hitzige Diskussion auslösen. Und wenn es sich bestätigt, könnte es Auswirkungen auf eine Reihe von Bereichen haben, einschließlich der Nanotechnologie und der Biologie.
Zustände der Materie, auch „Phasen“ genannt, sind ein Schlüsselkonzept bei der Untersuchung von Systemen, die aus Atomen und Molekülen bestehen. Grob gesagt kann ein System, das aus vielen Molekülen besteht, in Abhängigkeit von seiner Gesamtenergie in einer bestimmten Anzahl von Konfigurationen angeordnet werden. Bei höheren Temperaturen (und damit höheren Energien) haben die Moleküle mehr mögliche Konfigurationen, sind also ungeordneter und können sich relativ frei bewegen (Gasphase). Bei niedrigeren Temperaturen haben die Moleküle eine geringere Anzahl von Konfigurationen und bilden daher eine geordnetere Phase (Flüssigkeit). Sinkt die Temperatur weiter, ordnen sich die Moleküle in einer ganz bestimmten Konfiguration an und bilden einen Feststoff.
Dieses Bild gilt für relativ einfache Moleküle wie Kohlendioxid oder Methan, die drei klare, unterschiedliche Zustände aufweisen (flüssig, fest und gasförmig). Bei komplexeren Molekülen gibt es jedoch eine größere Anzahl möglicher Konfigurationen, und dies führt zu mehr Phasen. Ein schönes Beispiel dafür ist das Verhalten von Flüssigkristallen, die von komplexen organischen Molekülen gebildet werden und wie Flüssigkeiten fließen können, aber dennoch eine festkörperähnliche kristalline Struktur aufweisen.
Da die Phase einer Substanz durch die Konfiguration ihrer Moleküle bestimmt wird, ändern sich viele physikalische Eigenschaften dieser Substanz abrupt, wenn sie von einem Zustand in einen anderen übergeht. In der jüngsten Studie maßen die Forscher mehrere verräterische physikalische Eigenschaften von Wasser bei Temperaturen zwischen 0 und 100 °C unter normalen atmosphärischen Bedingungen (d. h. das Wasser war flüssig). Überraschenderweise stellten sie fest, dass Eigenschaften wie die Oberflächenspannung des Wassers und sein Brechungsindex (ein Maß dafür, wie sich Licht durch das Wasser bewegt) bei etwa 50℃ einknicken.
Besondere Struktur
Wie kann das sein? Die Struktur eines Wassermoleküls, H₂O, ist sehr interessant und kann wie eine Art Pfeilspitze dargestellt werden, wobei die beiden Wasserstoffatome das Sauerstoffatom an der Spitze flankieren. Die Elektronen im Molekül sind eher asymmetrisch verteilt, so dass die Sauerstoffseite im Vergleich zur Wasserstoffseite negativ geladen ist. Dieses einfache Strukturmerkmal führt zu einer Art von Wechselwirkung zwischen Wassermolekülen, die als Wasserstoffbrückenbindung bezeichnet wird und bei der sich die entgegengesetzten Ladungen gegenseitig anziehen.
Dies verleiht dem Wasser Eigenschaften, die in vielen Fällen die bei anderen einfachen Flüssigkeiten beobachteten Trends durchbrechen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Stoffen nimmt eine feste Wassermasse als Feststoff (Eis) mehr Platz ein als als Flüssigkeit, weil die Moleküle eine bestimmte regelmäßige Struktur bilden. Ein weiteres Beispiel ist die Oberflächenspannung von flüssigem Wasser, die etwa doppelt so hoch ist wie bei anderen unpolaren, einfacheren Flüssigkeiten.
Wasser ist einfach genug, aber nicht zu einfach. Das bedeutet, dass eine Möglichkeit, die scheinbare zusätzliche Phase des Wassers zu erklären, darin besteht, dass es sich ein wenig wie ein Flüssigkristall verhält. Die Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen halten bei niedrigen Temperaturen eine gewisse Ordnung aufrecht, könnten aber bei höheren Temperaturen eine zweite, weniger geordnete Flüssigphase annehmen. Dies könnte die von den Forschern in ihren Daten beobachteten Knicke erklären.
Wenn sich die Erkenntnisse der Autoren bestätigen, könnten sie viele Anwendungen finden. Wenn beispielsweise Veränderungen in der Umgebung (z. B. die Temperatur) zu Veränderungen der physikalischen Eigenschaften einer Substanz führen, kann dies möglicherweise für Sensoranwendungen genutzt werden. Vielleicht noch grundlegender ist, dass biologische Systeme größtenteils aus Wasser bestehen. Wie biologische Moleküle (z. B. Proteine) miteinander interagieren, hängt wahrscheinlich von der spezifischen Art und Weise ab, in der sich Wassermoleküle anordnen, um eine flüssige Phase zu bilden. Zu verstehen, wie sich Wassermoleküle im Durchschnitt bei verschiedenen Temperaturen anordnen, könnte Aufschluss darüber geben, wie sie in biologischen Systemen interagieren.
Die Entdeckung ist eine aufregende Möglichkeit für Theoretiker und Experimentalphysiker und ein schönes Beispiel dafür, dass selbst die bekannteste Substanz noch Geheimnisse in sich birgt.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich bei The Conversation. Folgen Sie @US_conversation auf Twitter.